Göttingen

Die letzten Kilometer fliegen mit 200 Stundenkilometern durch die Nacht. Der Lomo-Autohof bei Guxhagen rast an mir vorüber, genau wie vor fünfundzwanzig Jahren. Die Spießbratenbude von Kassel existiert wohl längst nicht mehr, aber das Clarion Hotel in Göttigen, auf dessen Parkplatz der winzigkleine Löwe im eiskalten Schnee alle viere von sich streckte. Jetzt ist es wieder eiskalt, aber trocken und glatt. Ich habe Heisshunger, erspare mir aber einen matschigen Burger vom König im eigenen Saft. Statt dessen trinke ich ein Bier, was auch nicht viel gesünder ist, aber weniger schwer im Magen liegt.

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London habe ich noch nicht verdaut. Skuril. Schrill. Klassisch, mit schwarzen Cabs und einem blattgoldstrotzenden Palast. Ich bin todmüde. Ich mache so eine Art Artclass, mit ein paar bunten und einigen nicht so bunten Bildern. Mein Gehirn arbeitet seeehr langsam. Die Bilder werden trotzdem hÜbsch. Hier ist eins – kein Ergebnis künstlerischer Ambitionen, sondern Produkt einer hochwissenschaftlichen Bildbearbeitung:

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Jaa! Ich weiss, das ist nicht Göttingen. Es ist Paris, aber trotzdem schÖn. :o) Fest steht, das Essen ist billiger in Göttingen (als in Paris) und die Wege sind wesentlich kürzer. Statt zum Gare de Montparnasse gehe ich zum Wilhelmsplatz und inspiziere das Blue Note, wo mittwochs Salsa getanzt wird. Heute ist Dienstag und geschlossen.

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Jetzt wird geschlafen. Ich habe schon ganz kribbelige Finger … Der Mittwoch ist dann etwas besser. Ich bin ausgeschlafen, obwohl ich von einem mysteriösen Telefonanruf geträumt habe. Geträumt? Hat das Telefon nun geklingelt oder nicht? Unrekonstruierbar. Unwahrscheinlich allerdings, dass der Portier heute morgen tatsÄchlich mit strafendem Blick mein Zimmer betrat und fragte, ob ich diese Type sei, die das Telefon nicht abhebt … “Diese Type”? Das habe ich doch schon einmal gehört. Unwahrscheinlich, dass dies alles tatsÄchlich passierte, aber zumindest rein physikalisch nicht unmöglich.

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Einen Salat im Nudelhaus und ein (?) Glas Kilkenny im Irish Pub … dann heim (?) ins Hotel und slaaafen … Donnerstag ist cool! Abends essen wir mexikanisch mit den türkischen, amerikanischen und polnischen Kollegen, wobei der Amerikaner eigentlich ein gebÜrtiger Ungar und RumÄne aus North Dakota sein soll. Am Ende des Abends beschliesse ich ein Foto zu machen und reisse den Apparat aus der Manteltasche, von wo er sich im Parabelflug aufs Pflaster begibt … kaputt. Seufz! Das ist der Preis, für den ich am Freitag die Optik verstehe. Fourrier-Transformation? Ganz einfach. X und Y sind die Frequenzen und die Amplitude ist der Grauwert. A Mikrosgop isch auflesungsbegrenzd, weil an grosser LKW net in a gloine Garag’ basst. So einfach isch dees!

Fourrier

Wozu um alles in der Welt sollte jemand sein Leberkäs’-Brötchen in der Garage parken???

Oxford (or “how to gazelle into the compactor”)

Reise nach Oxford beginnt wie sich das gehört: Es regnet Hunde und Katzen. Chantal sagt wo’s lang geht. Ich höre atemlos zu und wage nicht zu widersprechen. Ich liebe Chantal, die mir sagt wo’s lang geht. Chantal ist die Stimme meines Satelliten-Navigators. Ich habe den Satellit nach der hübschen Ruhigen mit den langen Haaren und dem Mona-Lisa-Lächeln so getauft (Schüleraustausch mit Clamart, 1973). Schmachtender Hündchenblick. Chantal hat gelacht und ist dann abgereist. Ich habe sie nie wieder gesehen. Ob sie noch lebt? Was wäre das für ein blöder Film, wenn sie nicht mehr lebte? Ob sie noch manchmal an mich denkt? Wie sie wohl aussieht? Auf der Autobahn in der Nacht liegt viel Zeit zum an Chantal denken herum … und Sophie … und Marianne … und Claire … und diese Feuerrote … wie hieß sie noch?

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Stuttgart

Ringelnatz-Porträt

Stalltüren

Zwei dicke Elefanten

Wollten inkognito Heimwandern.

Doch alle Passanten

Erkannten die Elefanten

Als Flüchtlinge aus dem Zoo.

Und wenn sich auch niemand getraute,

Sie anzufassen, ward ihnen doch klar,

Dass man ihre Absicht durchschaute

Und dass nun bald etwas im Gange war.

Verfolgt von einem grossen Heer

Von Schauvolk und Soldaten

Und Autos, Mob und Feuerwehr

Schwenkten sie links und betraten

Zwei Eingänge einer Bedürfnisanstalt

– Für Herren und für Damen –

Und äpfelten. –

Schutzleute kamen

Und haben sie niedergeknallt.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Budapest

Die Reise beginnt mit einer grässlichen Nacht im Steigenberger Airport Hotel. In der Lobbybar vertilge ich einen Outback-Burger für knapp zwanzig Euro. Eine Peroxidblondine klimpert auffällig mit den Wimpern und will mindestens 200 Euro. Der Kellner guckt mich mürrisch an. Ich verziehe mich rasch in meine Deluxe-Junior-Suite, in der es duster ist wie im Grab des Grafen Dracula. Ich kann nicht schlafen. Ich spüre, wie der Känguruhkloß sich Meter um Meter durch meine Gedärme quält. Als ich endlich eindöse klingelt der Wecker.

 Bild 013

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Paris

Ich rase mit dem Auto von Jena nach Paris. Unterwegs fahre ich einen Umweg von 25 km um mir in einem Dorf, das sehr an den Film Delikatessen erinnert, ein Baguette und Jambon zu kaufen. Ankunft in Le Pecq spät in der Nacht. Leiff zeigt mir ein Hotel, in dem ich eine Nacht verweilen darf. Eine Nacht nur, denn es ist schön, aber teuer. Es ist schon dunkel, aber das Haus wirkt altehrwürdig. Ich bin gespannt auf den nächsten Morgen.

Hotel Henry IV

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Aliso Viejo

Es riecht aromatisch nach verbrannten Koniferen. Rauchschwaden färben den Himmel blass und die Augen rot. Die Benutzung des Hotel-Swimming-Pools ist untersagt, da Giftstoffe aus der Luft sich im Wasser gelöst haben könnten. Der Hinweis, dieses Hotel sei rauchfrei, wirkt skuril. Julian, das alte Goldgräberdorf in den Laguna Mountains, wo man im Herbst so herrlichen Apple Pie mit Vanilleeis essen konnte, haben sie evakuiert. Auch Ramona ist von den Flammen bedroht und die Metzgerei, in der man zu Weihnachten 1994 Rehfleisch kaufen konnte, ist vielleicht abgebrannt. Ich glaube, wir sind sicher hier in Aliso Viejo, obwohl man die Flammen vom Hotel aus in den Nachthimmel lodern sieht.

 

Aliso1107-01 Aliso Viejo weiterlesen

Die erste Aufgabe der Menschen war, sich auf der Erde zurechtzufinden. (Max Born)