Moskau

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Dort unten kriecht die tief verschneite Landschaft vorbei. Bäche sind zu Eis erstarrt und Straßen schlafen unter verwehtem Pulverschnee.

Ich denke an Otto. Was dachte er, als er diese geheimnisvolle Eislandschaft überflog … damals, 1941 … als Pilot der deutschen Luftwaffe? Wie weit sind die deutschen Truppen 1941 eigentlich nach Russland vorgedrungen? Die Sowjetunion kostete der bis zum 8. Mai 1945 dauernde Krieg gegen das Deutsche Reich Über 25 Millionen Menschenleben (Zitat aus der Webseite des Deutschen Historischen Museums). 25 Millionen? Gab es je eine Aussöhnung? Wenigstens ein Gespräch?

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Mir ist mulmig. Die Reise erscheint mir zwiespältig und der Himmel auch. Der Airbus gleitet zwischen zwei Wolkenschichten hindurch, schwebt durch eine Landschaft voller Luftschlösser. Hin und wieder öffnet sich ein Loch und man sieht Sonne oder eingeschneite Dörfer. Ich bin gespannt und habe keine Vorstellung was mich erwartet. Plötzlich tauchen erste Hochhäuser zwischen Wäldern und Wiesen auf. Menschensilos. Geordnet. Symetrisch, Überraschend bunt. Straßen. Autos. Schnee und Qualm.

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Die Maschine setzt jaulend auf und ich sehe den Tower von Vnukovo. Die Pisten sind vereist. Die Landschaft wirkt grau und draussen stehen Russen in blauen Overalls mit leuchtgelben Streifen, wie auf jedem Flughafen dieser Welt.

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Die Flugzeuge auf den eisgrauen Betonplatten sind mir unbekannt und von den Airlines die hier parken habe ich nie zuvor gehört. Dalavia, Skyexpress und Orenair. Mit keiner davon würde ich freiwillig auch nur die Kellertreppe runterfliegen. Ich stehe zu meinen Vorurteilen, die in diesem Fall erheblich sind. Aber der Flughafen von Vnukovo ist modern, sauber und gut bewacht. Überall stehen Geheimagentinnen in hochhackigen Stiefeln und kurzen Miniröcken auf dem Marmorboden herum und blicken eisig wie der Frost. So also entsteht das Drehbuch zu einem James-Bond-Film der 70er Jahre, indem der Regiseur einmal hier landet? Auch meine Zöllnerin blickt erwartungsgemäss kühl. Sehr kühl! Zuerst blickt sie mich an und ich bekomme eine Gänsehaut. Dann blickt sie in den Pass. Sie ist blond und heisst Olga. Das ist kein Vorurteil sondern eine Tatsache. Dann blickt Olga das Visum an, dann mein Passbild und dann wieder mich. Plötzlich lächelt sie charmant und ich schmelze wie Vanilleeis auf heissem Strudel. Der Fahrer erwartet mich mit einem großen Firmenschild. Er spricht kein Wort Englisch. Wir irren durch ein eiskaltes und nach gefrorenem Urin riechenden Parkhaus zu einem Toyota, verlassen den Flughafen durch ein Labyrinth von kyrillischen Straßenschildern und fahren irgendwo hin. Ich bin Tourist und fotografiere. Der Fahrer lacht und erklärt mir alles ganz genau. Ich verstehe kein Wort. Jethro Tull? Sind die populär hier? Der Fahrer sieht mich verzweifelt an. Not anderständ! Max nix. Wir lachen.

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Als wir einen liegengebliebenen Lada passieren lacht er. Russki Auto kaputt!, sagt er. Meine Frau deutsch Auto nix kaputt – Volkswagen. Russki Auto immer kaputt. Dann passieren wir den Kreml, eine Schokoladenfabrik und die Statue von Peter dem Großen, von der ich nicht weiss, ob sie beeindruckend, bizarr, ulkig oder einfach merkwürdig sein soll. Gleich daneben liegt ein Karaoke-Dampfer vor Anker.

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Schließlich erreichen wir das Hotel Izmailovo Alfa, einen 30 Stockwerke hohen Komplex, in dessen 26. Stockwerk ich einziehen werde. Wieder zweifle ich, ob ich im richtigen Film mitspiele. Was soll das sein hier?

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Noch immer ist mir alles etwas unheimlich … die frostigen Hotelportiers in Minirock und Uniform, die finsteren Kerle in Anzug und Frack. Auf jedem Stockwerk gibt es Zimmermädchen, die einen kleinen Kiosk betreiben und kontrollieren, wer aufs Zimmer darf. Aber die Aussicht auf die nächtliche Stadt im Abendrot ist sensationell.

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