Lissabon

Wieso ist dieses Hotelzimmer eigentlich größer als meine Wohnung in Jena? Auch die Aussicht ist besser. Jeden Morgen kommen drei (!) Damen herein spaziert, um den Teppich zu saugen, die Toilette und das Bad zu putzen, meinen Müll wegzuräumen und mein Bett zu machen (letzteres aber nur, wenn ich nicht noch schlafe). Es ist ein bisschen merkwürdig, aber auch amüsant, dass hier das Zimmer auch geputzt wird solange man noch im Bett liegt.

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Die Herrin der Zimmermädchen spricht kein Wort Englisch, liest mir aber jeden Wunsch von den Lippen ab. Sie verzichtet zum Beispiel darauf, meine Minibar nachzufüllen, damit ich Zeit habe das Bier im Laden nachzukaufen (wo ein Sixpack soviel kostet, wie hier eine Flasche). Jetzt aber raus hier … auf die Straße …

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Fette schwarze Wolken machen heute schönes Licht, auch wenn alles trotz des gleissenden Sonnenlichts etwas düster wirkt.

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Orangenbäume vor der Technischen Hochschule. Ich habe versucht die Orangen im Gegenlicht sichtbar zu machen. Die Farben sind aber etwas psychedelisch geworden. Schrill, gell?

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Die typischen Straßenszenen meines heutigen Ausflugs sind etwas langweilig. Überall gibt es aber wunderhübsche Pastelerias und Restaurantes. Leider fremdele ich heute etwas und traue mich nicht ins Tim & Tim, wo leckere Pastéis und Sandwiches verkauft werden. Ich stelle mir immer vor, ich stehe am Tresen in der Schlange und weiß nicht was ich sagen soll … was ist denn das für ein Spleen?

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Autobahnschilder weisen in den Norden, nach Porto, wo Paulo wohl nun vergeblich auf mich wartet. Ich muß versuchen ihm heute anzurufen … oder soll ich doch fahren? Ich fühle mich etwas ausgebrannt heute und unentschlossen.

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Auf dem Rückweg zum Hotel kaufe ich in einem kleinen Laden eine Tüte voll Hotelmannskost. Do you speak English? frage ich den Mann an der Kasse. No, antwortet er, versteht mich dann aber doch. Den Ferreira Branco werde ich heute Abend alleine leer trinken.

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Abends gehe ich zur Abwechslung Salsa tanzen, im Circulo de Danca des Lisboa. Hoffentlich finde ich anschließend zum Hotel zurück. Ich glaube, es ist ziemlich weit, hinter dem Zoologischen Garten. Also los! Raus auf die Straße. Rein in die Metro … Wo ist denn eigentlich die Metro? … aus dem Hotel raus und dann Links … links … links ... ? will mich der Hotelportier veräppeln?? Ah! Es geht eine Etage nach unten und unter der Brücke durch … Einfach ein Ticket kaufen … was heisst Einfache Fahrt auf Portugiesisch??? aber ich schaffe es …. zum ersten Mal im Leben löse ich in Lissabon ein Metro Ticket … Und jetzt?? Ich stecke das Ticket in einen Schlitz, der die Pappe wütend wieder ausspuckt. Ticket ungültig, behauptet eine Warnlampe – das verstehe ich komischerweise, obwohl die Anzeige doch Portugiesisch ist. Ich stehe vor der Sperre wie der Ochse vor dem Berg … LASST MICH REIN!! … schließlich wird ein Metromitarbeiter auf mich aufmerksam. Er nähert sich zunächst mißtrauisch, dann freundlich lächelnd. Er testet mein Ticket und bestätigt, dass ich das Richtige habe. ABER ICH KOMME NICHT REIN! Der Schlitz will die Pappe nicht!! Welcher Schlitz?? Ach der für die Monatskarten? Der Uniformierte lächelt mitleidig. Doch nicht in den Schlitz. Er hält das Ticket an einen magischen Hightech-Sensor und die Tore öffnen sich wie von Geisterhand. Kopfschüttelnd geht er von hinnen und wünscht mir eine gute Fahrt. Ich staune nicht schlecht und muss an den Parking Guard in San Diego denken, der den Kunden beim Bezahlen am Automat behilflich war. ICH BIN DRIN!

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Meine Füße stehen breitbeinig auf Lissaboner Metroboden.

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In der bunt gekachelten Haltestelle Collegia Militar/Luz steige ich aus der hypermodernen Bahn aus und bilde mir ein, ich hätte es schon geschafft. Dann verlaufe ich mich zwischen einem riesigen Busbahnhof und dem Fußballstadion. Ich bin auf der richtigen Straße, weiß aber nicht wo Norden und wo Süden ist und niemand hier kennt das Teatro da Luz. Ich nehme ein Taxi, das mir die zweihundert Meter bis zum Teatro zeigt.

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Alles ist dunkel. Das Teatro scheint geschlossen. Mutig rüttle ich an verschiedenen Türen, bis sich eine öffnet. Ich betrete eine schummrig beleuchtete, antike Halle. Von irgendwo höre ich leise Musik und rythmische Schittfolgen. Ein kleiner Salsakurs findet dort statt. Unverkennbar. Tapps … tapps … tapps … …. tapps … tapps … tapps … .

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Plötzlich kommt eine junge Dame auf mich zu und spricht mich an. Natürlich verstehe ich kein Wort. Aber was wird sie schon sagen? Um 23 Uhr beginnt die Salsaparty, erklärt sie mir in bestem Englisch. Jetzt finde erst noch ein Tanzkurs statt. Um 23 Uhr? Na gut. Ich komme später wieder. Ich verlasse das Lokal und schlendere zurück zum Shopping-Center am Busbahnhof. Ich glaube, es ist das größte Shopping Center, das ich je gesehen habe.

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Kein Witz. Und oben eine komplette Etage mit Frittenbuden … . Dann zu Fuß wieder ins Teatro. Jetzt geht’s los. Die Kassiererin alarmiert sofort ihre Kolleginnen, weil der seltsame Ausländer wieder da ist. Sie scheint richtig aufgeregt wegen mir zu sein.

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Ich kriege ein kleines Kärtchen. Darauf wird vermerkt was ich trinke. Gezahlt wird beim Gehen. 6 Euro Mindestverzehr. Das schöne Foyer wird von Gasbrennern geheizt. Das Gebäude scheint einmal ein Theater oder Kino gewesen zu sein. Oben unter dem Dach gibt es ein Kinderzimmer, in dem Teenager knutschen und Bob Marley hören. Dort gibt es auch Alkohol. Ich traue mich bloß einmal hoch: WAS WILL DENN DIESER ALTE MANN HIER? Ich denke plötzlich an unseren letzten Besuch in Lissabon, 1981. Damals mit einer albernen Kappe in den Reggaefarben Rot, Gelb und Grün. Die einzige Musik für den Kasettenrecorder (ja was ist das denn?) war Kaja von Bob Marley … .

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Endlich geht der Vorhang auf und ich kann den Ballsaal begutachten. Langsam trudeln Salseras und Salseros ein. Ich bin gespannt, ob ich mich heute zu tanzen traue … so ganz ohne Verständigungsfähigkeit. Doch die Sorgen sind unberechtigt. Eine wahnsinnig nette und kugelrunde Stewardess von TAP Portugal fordert mich auf (nicht umgekehrt) und stellt mich dann ihren ganzen Bekanntinnen vor … die mich mit Küsschen links und Küsslein rechts begrüssen. Unverkennbar, ich bin in Salsanistan.

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Irgendwann stellt sich mir eine Dame vor. Sie sei Teresa und die Besitzerin der Tanzschule Circulo de Danca de Lisboa. Sie habe gehört, ich sei ein sehr guter Tänzer und sie wolle mit mir tanzen. Später unterrichtet sie mich … Kizomba! Angeblich ist das der neue In-Tanz. Es sieht leicht aus, aber ich breche mir einen ab, bei dem Versuch. Die Frauen lachen. Alle wollen mit mir Kizomba tanzen … und Salsa … und Merengue … und Bachata. Wir haben eine Menge Spaß.

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Um 3 Uhr morgens verlasse ich nass geschwitzt das Teatro und gehe am totenstillen Shopping Center vorbei zum Taxistand und lasse mich von einem alten Herrn zurück zum Hotel fahren.

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Sim. Lisboa est muy complicado … pflichtet der Taxifahrer mir bei und drückt mir herzlich die Hand. Nicht nur complicado, möchte ich antworten. Es ist eine schöne und sehr freundliche Stadt. Leider kann ich kein Portugiesisch. Obrigado. Kizomba?

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