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Rio de Janeiro

Ich habe mein Leben lang von Brasilien geträumt. Schwer zu sagen, aus was dieser Traum bestand, auf welchem Fundament der Phantasie er basierte. Bücher, wie Die Freuden und Leiden auf Hoher See im Schaufenster eines Antiquariats in Budapest, um das ich seit Monaten herumschleiche oder Südamerika von Life, das ich als Kind viele Male verschlungen und wie ein trockener Schwamm in mir aufgesogen habe? Abenteuerfilme, wie Fizzcaraldo und Aguirre der Zorn Gottes, für deren Produktion ich Werner Herzog bis heute bewundere und verehre? Träume von endlosen braunen Wassermassen, von unendlichen Urwäldern, vom Amazonas und von Rio de Janeiro, wo Sean Connery als James Bond auf dem Dacher der Gondel der Seilbahn zum Zuckerhut mit dem Beisser kämpft? War es so? Ich habe die Details vergessen, aber das ist ja nun auch egal. Jetzt bin ich selbst hier, in Rio, an der Copacabana, wo mitten im Winter das Thermometer mittags auf 32°C klettert, wo es Meerschönefrauenalssand gibt und wo jeder dem gerade nichts besseres einfällt Caipiriniah oder Caipivodka trinkt oder Kokossaft mit dem Strohhalm direkt aus der Nuss.
Die Straßen erinnern mich sehr an Lisboa, was ja nun kein Wunder ist, und Elysio versicherte mir, das Verhältnis Brasiliens zu Portugal sei sehr gut. Auch hier sind die Gehwege hell gepflastert, jedenfalls vor den Geschäften von H. Stern an der Copacabana und auch hier kacken die Hunde mit genüsslich zugekniffenen Augen einen heimtückischen Haufen aufs warme Pflaster. Ein braungebrannter Mann in weissem T-Shirt stampft wütend auf und flucht in Worten, deren Sinn ich ahnen aber nicht wirklich verstehen kann. In einer Gasse stehen fünf oder sechs weisse VW-Busse, schwere Stoßstange, Dachgepäckträger, strahlend weiss und keinerlei Rost – Baujahr 72 oder ist das ein eigenes Modell von VW do Brasil? Zwischen Marktständen feilschen dicke Frauen mit faltigen Männern, schlafen Müde auf Lastwagenpritschen, schneiden Fleissige Sardinien in blumenartige Fächer. Ein Papagei wird vorüber getragen und ein Junge mit einer Kiste Limonen guckt mich an, als wolle ich ihn mit meiner Linse erschießen. Ich habe das schamlose Fotografieren noch immer nicht gelernt, was ich später stets bedauere. Puedo tomar una fotografia, aber hier verstehen sie kein Spanisch … so winde ich mich.