Lissabon

Der Flug nach Lissabon startet natürlich nicht in Ochsenwang, sondern auf dem Stuttgarter Flughafen. Ich fliege auch nicht mit Chicken Wings! Die Flugzeuge machen einen soliden Eindruck, trotz der Vogelgrippe. Das Essen ist teuer (man bekommt nicht einmal einen Kaffee umsonst) und die Stewardessen versprühen eisige Schönheit.

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Kurz nach dem Abheben wird die Welt überschaubar. Ich sehe den Asemwald, Hohenheim und das Paracelsus-Gymnasium vorbei trudeln. Nick und Gina sitzen mit rauchenden Köpfen in ihren Klassenzimmern. Die Luft ist klar und kalt.

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Es geht steil nach oben. Musberg aalt sich in der Morgensonne, in der auch die Eselsmühle Brot bäckt.

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Aus dem grünen Hochhaus blickt Ursel vom Balkon und mir zu winkt.

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Im Schwarzwald sind die Gipfeln mit windschnittigen Schneewehen bedeckt. Ansonsten ist alles braungrün und frühlingshaft. Ob es nochmal schneit in diesem Jahr? Ich stelle mir vor, wie die Schwarzwälder Bauernhäuser nach der Klimakatastrophe wirken, mit ihren tief herabreichenden Schindeldächern gegen den Schnee – mitten in der Wüste. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann die Schindeln nicht sehen.

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Dann überfliege ich das französische Jura, wo auch kein Schnee liegt und wo man überall kleine, spärlich bewohnte Hochtäler entdeckt. Komischerweise sehe ich den Doubs nicht. Vielleicht liegt er genau unter mir. Schade, denn ich wollte im raschen Vorbeiflug Nicks Angelbrücke erspähen.

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Plötzlich kreuzt ein Condor unsere Flugbahn. Das ist schon ein seltsames Gefühl, wenn unter einem Flugzeuge fliegen. Mir wird bewusst wie hoch oben in der Luft ich mich befinde …. grusel .

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Dann döse ich ein bisschen vor mich hin und trinke einen Kaffee mit Milch und Zucker und esse ein Croissant dazu und als ich wieder aus dem Fenster blicke wandern gerade die Pyrenäen vorüber. Auf einem Bergrücken brennt ein Feuer.

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Die französisch-spanische Grenze ist ganz deutlich zu erkennen, in Frankreich grün und wolkig und in Spanien rotbraun und trocken. Am Horizont erkenne ich die Hautes-Pyrenees.

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Dann überfliege ich den iberischen Kontinent, was mich an das Buch A Jangada de Pedra (Das steinerne Floß) von José Saramago erinnert, das ich schon lange lesen wollte. Er ist Portugiese und so betrachtet hätte ich ihn in den Koffer stecken sollen, statt den endlosen Thomas Pynchon. Historia do Cerco de Lisboa (Die Belagerung von Lissabon) zum Beispiel, oder Viagem a Portugal.

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Sie Dörfer und Städte wirken hier alle ein bisschen wie Burgen, deren Häuser im Sommer zusammenrücken, um gemeinsam der Hitze zu trotzen. Wenn man genau hinsieht erkennt man runde Felder, auf denen Bewässerungsmaschinen im Sommer im Kreise fahren und Wasser versprühen. Dann wird es plötzlich wieder grün wie im Schwarzwald. Das Flugzeug beginnt an Höhe zu verlieren und die blonden Stewardessen mit dem kühlen Blick beginnen die Essensreste einzusammeln.

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Der Pilot fliegt eine Schleife über dem Atlantik und biegt dann nach Osten ein, am Rio Tejo entlang und über den Hafen von Lisboa, von wo vor 500 Jahren die Schiffe zu ihren Entdeckungsreisen in die Neue Welt aufgebrochen sind.

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Wir überfliegen die Ponte 25 de Abril, benannt nach der Nelkenrevolution 1974, bei der das portugiesische Militär sich unblutig des Diktators Estado Novo entledigt hat. Die Brücke wurde in den 60er Jahren von einem amerikanischen Stahlkonzern gebaut und erinnert sehr an die Golden-Gate-Bridge in San Francisco.

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Hafenanlagen mit riesigen Containerschiffen.

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Landeanflug direkt über mein Hotel hinweg und ein paar Minuten später stehen wir auf dem Flughafen von Lisboa.

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Miguel erkennt mich aufgrund des Fotos ohne Probleme und bringt mich zum Hotel. Ich ziehe mich um und wir fahren gemeinsam nach Belém, einem Stadtteil von Lisboa, der zu meiner Überraschung wie der französische Ort Blaye ausgesprochen wird (von wo aus eine Fähre über die Gironde führt). Wir essen Kabeljau, Schinken und Käse in Miguels Lieblingsrestaurant und trinken dazu eine ganze Flasche Vinho Verde.

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Miguel hat für mich ein Sight-Seeing-Programm zusammengestellt und wir verabreden uns um 17 Uhr im Pastéis de Belém, einem Café in dem es die besten Süßigkeiten der ganzen iberischen Halbinsel geben soll.

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Ich schlendere am Ufer des Rio Tejo entlang und bestaune die Hafenanlagen, die ich schon aus der Luft gesehen hatte. Angler fischen nach Kabeljau, zumindest träumen sie davon.

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Ausser einem winzigen Barsch habe ich nichts gesehen.

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Statt die vorgeschriebene Route in Miguels Reiseführer abzulatschen, verbringe ich mehrere Stunden im Museu Coleccado Berardo, wo ich mich köstlich amüsiere (ein tolles Museum) und obendrein ein zweites Selbstportrait mit Andy Warhol anfertigen kann.

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Ich setze mich in einen Park unter Orangen und döse ein wenig vor mich hin. Es ist angenehm warm, Möwen schreien und ich muss aufpassen, dass mir keine auf den Kopf kackt.

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Vor dem Pastéis de Belém warte ich ein halbes Stündchen und beobachte, wie die Leute Schlange stehen und den Bettler vor der Tür mit Süßigkeiten füttern. Es ist ein unglaublicher Betrieb und viele Gäste lassen sich vor dem Hintergrund des Cafés fotografieren.  Miguel führt mich ins Innere des riesigen Caféhaus-Labyrinths. Die Räume sind überall mit den typisch blau-weissen Wandkacheln verziert und ich glaube nicht, dass hier je ein Mensch geraucht hat.

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Dutzenden von Tischen junge und alte Menschen sitzen, Liebespaare, Geschäftsleute und junge Damen, die alle nur ein einziges Produkt vertilgen – die süßen Pastéis de Belém … und vielleicht noch eine Café oder ein Glas Portwein dazu.

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Die Pastéis sind warm, umhüllt von knusprig öligem Blätterteig und gefüllt mit Vanillecreme. Man verfeinert sie mit einer Prise Puderzucker und Zimt, die auf jedem Tisch stehen. Â Leeeeeeeeeeeeeeeecker!!!!!!!!!!

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Miguel liefert mich im Hotel ab, wo ich ein Verdauungsschläfchen machen. Dann breche ich nochmal auf und schlendere zu Fuß in die Bairro Alto, einen Altstadtteil an den ich mich vage zu erinnern beginne.

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Buchantiquariate verbreiten intellektuelle Patina. Solicitors (wie heisst das auf Deutsch?) bedrängen mich … mit Speisekarten und der Aufforderung gefälligst etwas zu essen, mit seltsamen Angeboten wie „Haschisch? Kokain?“, aber ansonsten ist alles harmlos. Aus einer Bar tönt Salsamusik, wozu aber nur gesoffen und nicht getanzt wird.

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Als ich schließlich zurück ins Hotel komme bin ich hungrig, durstig und müde. Ich trinke ein Bier in der Bar und dann noch eins und esse ein paar Erdnüsse dazu. Ein paar? Die ganze Schale!  Kulinarisch muss sich etwas verbessern, bezüglich des Abendessens.

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